23. Dezember 2020 (aktualisiert am 23. September 2021)      Erstellt von Viktoria Szostakowski      Digitalisierung

Digitale Barrierefreiheit: Das Internet sollte jedem zustehen

Die Forderung nach einer barrierefreien Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens wird immer lauter, jedoch wird dabei oft der Aspekt ausgeblendet, dass zu einer barrierefreien Gesellschaftsstruktur auch der barrierefreie Zugang zum Internet gehört. Mit digitaler Barrierefreiheit ist gemeint, dass alle Menschen den gleichen Zugang zu digitalen Inhalten, wie Video, Audio und Text, haben. Im folgenden Artikel möchten wir uns dem Begriff der digitalen Barrierefreiheit widmen und dessen rechtliche Regelung genauer anschauen und aufzeigen, welche Vorteile Unternehmen mit barrierefreien Webseiten erzielen können.

Wie sehen digitale Barrieren aus?

Unter Barrieren im Alltag können wir uns leicht etwas vorstellen – beispielsweise Stufen anstatt Rampen, fehlende Aufzüge oder hohe Bordsteinkanten. Jedoch sollte bei zunehmender Digitalisierung die Aufmerksamkeit ebenfalls auf Einschränkung im Internet gelegt werden. Digitale Barrieren treten dann auf, wenn Menschen der Zugang zu digitalen Medien, sprich zur internetbasierten Informations- und Kommunikationsplattformen, nicht gegeben ist und ihnen somit verwehrt bleiben. Dabei erscheint dieses Problem bei genauer Betrachtung in gewisser Weise als paradox, denn schließlich eröffnet das Internet neue Möglichkeiten der Interaktion und Kommunikation. Laut der Aktion Mensch-Studie Web 2.0/barrierefrei nutzen Menschen mit Behinderungen das Internet öfter als Menschen ohne Behinderung, was zeigt, dass digitale Interaktion für sie einen wichtigen Stellenwert einnimmt.

Digitale Barrierefreiheit, oder auch Web Accesibility, betrifft nicht nur körperliche Einschränkungen, wie Blindheit oder Schwerhörigkeit, sondern auch Einschränkungen im Alltag. Diese können beispielsweise schlechter Empfang, eine laute Umgebung oder die fehlende Möglichkeit, Ton abzuspielen, sein. Digitale Barrierefreiheit verfolgt das Ziel, dass User Webseiten und digitale Inhalte uneingeschränkt nutzen können, indem diese entsprechend gestaltet sind.

Man spricht von digitalen Barrieren, wenn Informationen oder Funktionen einer Website nicht genutzt werden können. Man unterscheidet drei Kategorien von Wahrnehmungs-, Verständnis- und Zugriffsbarrieren:

  • Wahrnehmungsbarrieren

Diese Art der Barriere besteht, wenn fehlende Farbkontraste, mangelnde Optionen zur Vergrößerung von Texten oder eine unscharfe Darstellung die Wahrnehmung einschränken. Das Gleiche gilt für Medien, die sich lediglich auf ein Wahrnehmungssinn konzentrieren. Informationen, die nur per Video, Grafik oder Ton transportiert werden, sind für gehörlose, seh- oder hörbehinderte Menschen ohne alternative Unterstützung nicht wahrnehmbar.

  • Verständnisbarrieren

Verständnisbarrieren bestehen, wenn Websites nur optisch codiert sind. Fehlen auf einer Website Bildunterschriften, Linkbeschreibungen oder alternative Texte bei CTA-Buttons, dann steht ein sehbehinderter Nutzer vor einem Hindernis und kann die Webseite nicht vorgesehen nutzen. Auch zu komplexe Inhalte, zu lange verschachtelte Sätze und insgesamt zu viele Informationen auf einer Seite können Menschen mit kognitiven Einschränkungen überfordern.

  • Zugriffsbarrieren

Unter diesen Bereich fallen solche Situationen, in denen digitale Inhalte mit interaktiven Elementen nur auf bestimmte Weise gesteuert werden können. Können Nutzer beispielsweise keine Maus bedienen, sind sie sie auf solch einer Webseite navigations- und entsprechend handlungsunfähig.

Leitlinien und rechtliche Rahmenbedingungen

In den Web Content Accessibilty Guidelines 2.1 ist der internationale Standard für ein barrierefreies Webdesign festgehalten. Hier sind die vier grundlegenden Prinzipien Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit formuliert. Diese Empfehlungen zu einer barrierefreien Webgestaltung wurden 2008 vom World Wide Web Consortium festgelegt und dienen als Orientierung für eine angemessene Gestaltung digitaler Inhalte.

Seit Mai 2002 gilt das Behindertengleichstellungsgesetz, auf dessen Basis 2011 die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung 2.0, kurz auch BITV 2.0, verabschiedet wurde. Hier sind neben einem Auszug aus den WCAG 2.0 weitergehende Anforderungen an Leichte Sprache und Gebärdensprache enthalten.

Zu den wichtigsten Einstellungen für barrierefreies Webdesign gehören:

  • Flexible Darstellung (Anpassung von Kontrast, Farbe und Text-Größe)
  • Text-Alternativen für Nicht-Text-Inhalte, damit Screenreader die Möglichkeit haben diese zu erfassen
  • Untertitel und Alternativen für Audio und Video
  • Eine übersichtliche Seitenstruktur mit Überschriften, Absätzen und Listen
  • Navigation über die Tastatur
  • Leichte Sprache
  • Ausreichend Zeit, Inhalte zu lesen und zu benutzen

Neben diesen Vorgaben besteht auch eine EU-weite Richtlinie für die Standardisierung der Barrierefreiheit von Websites des öffentlichen Sektors, auch als EU-Richtlinie 2016/2102 bekannt. Diese gilt bereits für neue Websites, die nach dem 23. September 2018 veröffentlicht wurden. Bis zum 23.September 2020 sollten auch ältere Webseiten den Standards für digitale Barrierefreiheit entsprechend eingestellt werden. Bis zum 23.Juni 2021 sollen auch alle mobilen Webseiten folgen.

Vorteile barrierefreier Webseiten für Unternehmen

15% der Bevölkerung leben mit einer Behinderung oder chronischen Erkrankung werden jedoch von der Wirtschaft kaum direkt angesprochen. Dabei gehören diese, je nach Branche, zur relevanten Zielgruppe und erscheinen aus einer wirtschaftlichen Perspektive als interessant. Daher sollten Unternehmen behinderte Menschen in ihren Möglichkeiten nicht einschränken, sondern viel mehr unterstützen und dabei noch wirtschaftliche Vorteile genießen. Schließlich sind auch Menschen mit vorübergehenden Krankheiten, geringen Sprachkenntnissen oder die Zielgruppe 60+ auf digitale Barrierefreiheit angewiesen und können dank dieser ebenfalls angebotene Dienste wahrnehmen.

Digitale Barrierefreiheit bietet Unternehmen zahlreiche Vorteile:

  • Erreichen einer viel größeren Zielgruppe
  • Steigerung der User Experience
  • Zugänglichkeit auch für mobile Endgeräte wie Handy oder PDA
  • Bessere Auffindbarkeit in Suchmaschinen (SEO)
  • Compliance & Gesetzeskomformität
  • Loyalität und Kund*innentreue der betroffenen Personen und deren Angehörigen