27. September 2022 (aktualisiert am 06. November 2023)      Erstellt von Niklas Eckert      Arbeitsleben

Quiet Quitting – bereit, das absolute Minimum zu tun

Ein neues Phänomen prägt die Arbeitswelt und ist in aller Munde, Quiet Quitting. Die Work-Life-Balance wird speziell für junge Arbeitnehmer immer relevanter und führt dazu, dass sie nicht wie so viele Menschen in den Generationen vor ihnen bereit sind, eine ausgeprägte Arbeitsbereitschaft an den Tag zu legen und wenn nötig Überstunden zu leisten oder auch nach der Arbeit erreichbar zu sein. Die eigene Anspruchshaltung hinsichtlich Wertschätzung und Vergütung bleibt jedoch hoch.

Die stille Kündigung?

Quiet Quitting hat vor allem durch das Video des TikTokkers Zaid Khan @zaidlepplin, dessen Video zum Thema viral gegangen ist, enorme Popularität gewonnen. Darin heißt es: „Work is NOT your life“. Das Kurzvideo, das am 25. Juli dieses Jahres auf TikTok veröffentlich wurde, hat mittlerweile weit über 3 Millionen Aufrufe und unzählige Reaktionen hervorgerufen.

Wenn man den Begriff erstmals hört, so mag man denken, dass es mit einer Arbeitskündigung zusammenhängt, ähnlich der „Great Resignation“, in dessen Folge Millionen von Arbeitnehmern speziell in den USA ihren Job gekündigt haben. Das ist beim Quiet Quitting allerdings nicht der Fall. Vielmehr geht es darum, dass die Arbeit nicht mehr der Mittelpunkt des Lebens ist. Die Beschäftigten verrichten nur noch die nötigste Arbeit, sind nicht bereit Überstunden zu nehmen und sind außerhalb der Arbeitszeit nicht erreichbar, schon gar nicht, wenn man dafür nicht entsprechend kompensiert wird. Es werden stattdessen klare Grenzen zwischen dem Beruf und der Freizeit gesetzt. Der ein oder andere mag sagen „Dienst nach Vorschrift“ gab es schon immer, jedoch scheint das Thema mittlerweile eine noch höhere Bedeutung gewonnen zu haben.

Was sind die Beweggründe der Beschäftigten?

Die Gründe der Beschäftigten, auf der Arbeit nur noch das nötigste zu tun, sind vielfältig und können im Einzelfall stark variieren: Häufig spielen die folgenden Aspekte jedoch eine nicht unwesentliche Rolle:

  • Work-Life-Balance: die Beschäftigten legen heutzutage einen größeren Stellenwert auf Freizeit und Familie. War früher die Arbeit für viele Menschen noch der Mittelpunkt, so wünschen sich heutzutage mehr Arbeiter eine klare Trennung zwischen dem beruflichen und privaten Leben.
  • Psychische Gesundheit: für viele Arbeitnehmer spielt neben der gestiegenen Wichtigkeit des Privaten die psychische Gesundheit eine zentrale Rolle. Um eine erhöhte Belastung oder gar einen Burnout zu vermeiden, erbringen sie demnach nur das notwendigste. Nicht unerheblich war in diesem Zuge die Corona-Pandemie, die für viele Beschäftigte zu einer höheren Belastung geführt hat und letztlich als Anlass, um dem entgegenzuwirken.
  • Gegenbewegung zur Hustle Culture: die Hustle Culture steht im Gegensatz zu Quiet Quitting dafür, wenn nötig über die eigenen Belastungsgrenzen hinaus zu arbeiten, auch wenn das Privatleben oder der eigene Körper darunter leidet. Quiet Quitting kann als eine Art Gegenbewegung gesehen werden, bei der das eigene Wohlbefinden an erster Stelle steht.
  • Individuelle Gründe: darüber hinaus kann es weitere spezifische Gründe geben, die eine Person letztlich dazu veranlassen, nur noch das nötigste zu tun. Darunter können zum Beispiel mangelnde Wertschätzung der Arbeit seitens der Vorgesetzten, eine ausbleibende Beförderung oder die Einstellung neuer Kollegen mit höherer Bezahlung bei gleicher Tätigkeit fallen.

Wie populär ist Quiet Quitting in der Bevölkerung?

Dadurch, dass der Trend aktuell vor allem in den sozialen Medien derartig präsent ist, wird er häufig mit dessen Nutzern, sprich vor allem den jüngeren Generationen, assoziiert. Eine Umfrage von YouGov unter 1.000 erwachsenen Amerikanern ergab jedoch kürzlich, dass dies nur bedingt der Fall ist und Quiet Quitting über alle Altersgruppen hinweg eine gewisse Zustimmung findet.

Generell befürworten 47% der US-Bürger Quiet Quitting, 27% lehnen es ab, auch wenn sie bislang nicht davon gehört haben. Betrachtet man die Personen, denen Quiet Quitting bereits bekannt ist, fällt das Resultat noch deutlicher aus. Demnach unterstützen 62% der Befragten die Idee des Quiet Quitting und 25% lehnen sie ab.

Bei Betrachtung der unterschiedlichen Altersgruppen zeigt sich ein ähnliches Bild. Zwar findet Quiet Quitting bei den 18- bis 29-jährigen mit 50% die meisten Befürworter, jedoch ist die Zustimmung unter den weiteren Generationen ähnlich hoch und stets größer als die Ablehnung. So zeigen mindestens 46% jeder Altersgruppe ihre Unterstützung für Quiet Quitting. Auf der Seite der ablehnenden Personen sind jedoch schon größere Unterschiede erkennbar. Unter den über 65-jährigen lehnen 33% Quiet Quitting ab, in der Gruppe der 30- bis 44-jährigen sind es lediglich 21%.

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Sanders (2022)

Geht es um konkretere Fragen hinsichtlich des Arbeitsverhaltens, zum Beispiel, ob Beschäftigte nur die Arbeit tun sollen, für die sie auch bezahlt werden, gehen die Meinungen weit auseinander. So würden dieser Aussage 64% der 18- bis 29-jährigen zustimmen und 24% ablehnen. In der Altersgruppe der 45- bis 64-jährigen findet sie unter 40% der Befragten Zustimmung und unter 52% Ablehnung. Eine ähnliche Tendenz lässt sich hinsichtlich der Aussage erkennen, dass Beschäftigte immer versuchen sollen, über das Limit hinauszugehen, beziehungsweise auf Englisch „to go above and beyond“. Dieser Aussagen würden 74% der 45- bis 64-jährigen zustimmen, jedoch lediglich die Hälfte der 18- bis 29-jährigen.

Dementsprechend lassen sich gewisse Differenzen hinsichtlich der Arbeitsbereitschaft der verschiedenen Generationen erkennen.

Was sagen die Arbeitgeber?

Die Arbeitgeber werden durch die neue Arbeitshaltung insbesondere von jungen Leuten oftmals vor große Herausforderungen gestellt. Die Arbeitsmoral und -bereitschaft vieler Beschäftigten ist nicht auf dem Niveau der vorherigen Generationen, die Ansprüche hinsichtlich der Vergütung und Wertschätzung sind jedoch oftmals hoch.

Die betroffenen Verantwortlichen beklagen, dass der Fokus der jungen Generation zu sehr auf dem Leben abseits des Berufs liegt, was zu Forderungen führt, die in vielen Branchen in der Form nicht praktikabel sind, wie zum Beispiel dem Gesundheitswesen oder auch der Gastronomie. Zudem haben viele Arbeitgeber ohnehin mit einem Personalmangel zu kämpfen, sodass sie auf die Arbeitsbereitschaft ihrer Beschäftigten angewiesen sind. Häufig haben Arbeitgeber jedoch genau deshalb kaum eine andere Wahl, als den Arbeitnehmern möglichst gut entgegenzukommen, um sie zu halten oder als neue Beschäftigte zu gewinnen.

Wie können Arbeitgeber Quiet Quitting entgegenwirken?

Quiet Quitting ist an sich natürlich nicht pauschal negativ zu beurteilen. Letztlich heißt es nur, dass man lediglich das tut, was vertraglich festgehalten wird, nicht mehr und nicht weniger. Nichtsdestotrotz sind Arbeitgeber heutzutage mehr denn je gefragt, sich potenziellen Mitarbeitern gegenüber positiv zu präsentieren, aber auch den bereits Beschäftigten ein attraktives Arbeitsumfeld zu bieten.

Entsprechend gilt es Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Arbeitnehmern entgegenkommen, angefangen bei klar definierten (einzuhaltenden!) Arbeitszeiten und Aufgabengebieten. Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Wertschätzung sowohl der Leistung der Beschäftigten als auch der individuellen Person. An dieser Stelle ist eine regelmäßige Kommunikation und Feedback elementar.

Quiet Quitting kann schließlich auch positive Aspekte mit sich bringen. Durch eine stärkere Auseinandersetzung mit den Mitarbeitern und deren Bedürfnissen steigt im besten Fall auch deren Motivation und kann letztlich dazu führen, dass die Arbeit im Unternehmen effizienter vonstatten geht.