23. November 2018 (aktualisiert am 18. Dezember 2023)      Erstellt von Jennifer Schmitz      VoIP

Probleme mit Fax over IP

Woran es liegt, dass Ihr VoIP-Fax nicht ankommt 

Auch wenn es schon unzählige Male für tot erklärt wurde, ist es doch nicht aus dem (insbesondere Geschäfts-) Alltag wegzudenken: Das altbewährte Fax. Auch, wenn die E-Mail als Kommunikationsmittel viel schneller und komfortabler zu nutzen ist, bringt sie nicht das schlagendste aller Pro-Fax-Argumente mit sich: Die Rechtssicherheit. Das Fax ist als „schriftliche Form“ akzeptiert und wird vor Gerichten oft als Beweismittel anerkannt. Dank Sendebericht und Fax-Protokoll kann das Versenden eines Faxes sogar nachgewiesen werden – wichtig, wenn es an das Einhalten von Fristen geht. Dies ist sicher einer der wichtigeren Gründe, aus denen nach einer Bitkom Umfrage von 2018 62 % der 1.106 befragten Unternehmen das Fax noch sehr häufig zur Kommunikation verwenden. 

Und so überlebt das Fax weiter, trotz der immer weiter voranschreitenden Digitalisierung. Doch kann dies, angesichts der Umstellung auf ALL-IP und der Abschaltung der ISDN-Netze, so weitergehen? Berichte über fehlgeschlagene Faxe bei der Nutzung von Fax-Geräten an VoIP-Anschlüssen findet man im Internet viele. Vor dem Hintergrund, welche und wie viele Daten wir heutzutage erfolgreich über die IP-Netze übertragen, ist dies kaum vorstellbar. Woher kommen die Probleme mit Fax over IP also?

Probleme mit dem Fax am VoIP-Anschluss: Technik für Fax nicht ausgelegt

Das Problem liegt an der VoIP-Technik, die für die Übertragung von Sprache optimiert ist. Ganz kurz erklärt: Bei der Sprachübertragung geht es eher darum, diese schnell zu übertragen. Selbst, wenn die Übertragung nicht vollständig ist, treten meist nur kleine Aussetzer auf, die unser Gehör oft nicht einmal bemerkt. Bei einem Fax führt diese Unvollständigkeit jedoch zum Fehlschlagen der Übertragung. 

UDP – das Protokoll für die Internettelefonie

Im Detail verhält dies sich so: Für die Internettelefonie wird das das Protokoll UDP (User Datagram Protocol) verwendet. Dies ist ein Transportprotokoll, welches im Gegensatz zum Protokoll TCP (Transmission Control Protocol) verbindungslos und damit „unsicher“ ist. „Unsicher“ bedeutet in diesem Hinblick, dass mit UDP (im Gegensatz zu TCP) keine Kontrollpakete vom Empfänger zurück an den Absender geschickt werden, um den Empfang des Datenpakets zu quittieren und mögliche Datenpaket-Verluste zu reklamieren bzw. verlorene Datenpakete neu anzufordern. Der Vorteil: Das Datenpaket ist aufgrund des kleineren Paket-Headers, welcher Adressierungs- und Verwaltungsinformationen mitsendet, sehr schlank, was eine schnellere und einfachere Verarbeitung gewährleistet. Außerdem entfallen durch das Fehlen der Kontrollmechanismen weitere Dialoge zwischen Sender und Empfänger (wie oben genanntes Verhalten bei Paketverlusten mit TCP), die Zeit und Serverleistung beanspruchen.

UDP besitzt beispielsweise keine Methoden, die sicherstellen, dass die gesendeten Datenpakete überhaupt beim Empfänger ankommen. Zudem kann es Datenpakete nicht in der korrekten Reihenfolge zusammensetzen. Anstelle dessen werden UDP-Pakete in Echtzeit an die Anwendung weitergeleitet, welche selbst für die korrekte Übertragung Sorge tragen muss. Dahingehend wird UDP in der Regel für Dienste und Anwendungen genutzt, bei denen Paketverluste zu verschmerzen sind oder die sich selbst um die Verbindungsverwaltung kümmern: Neben DNS-Anfragen und VPN-Verbindungen sind dies Video- und Audiostreaming. Und damit auch Voice Over IP.

Warum wird UDP für VoIP verwendet?

So wird UDP zum Protokoll der Wahl bei VoIP-Verbindungen. Bei der Sprachübertragung wird das analoge Signal der Sprache in ein digitales gewandelt. 20 Millisekunden des Gesprochenen entsprechen einem UDP-Datenpaket, welches über die Leitung versendet wird. Beim Empfänger werden die UDP-Pakete in der korrekten Reihenfolge zusammengesetzt und das Signal wieder in ein analoges Sprachsignal umgewandelt.

Hierbei kommt es auf einen stetigen Datenstrom an, um eine entsprechende Qualität zu gewährleisten. Geht ein Paket verloren, fehlen 20 Millisekunden der Sprachübertragung. Bei der Umwandlung in das analoge Sprachsignal wird dabei ein Knacken in der Leitung zu hören sein. Dies wird durch das menschliche Gehör meist überhört. Erst, wenn deutlich mehr Datenpakete verloren gehen, macht sich dies durch eine schlechte Sprachqualität oder durch Verbindungsabbrüche bemerkbar.

UDP für die Fax-Übertragung: Darum klappt es nicht 

Kleine Paketverluste sind bei VoIP also zu verschmerzen. Beim Fax stellt sich dies jedoch ganz anders dar: Faxgeräte sind nicht nur auf einen stetigen Datenstrom angewiesen, er muss zudem vollständig sein. Fehlt ein Paket, so schlägt die gesamte Fax-Verbindung fehl. Auch das Problem von Laufzeitschwankungen erschwert den Fax-Versand über dieses Protokoll. Da die VoIP-Verbindung einen kontinuierlichen Datenstrom benötigt, werden Laufzeitschwankungen zwischen einzelnen Datenpaketen durch einen so genannten „Jitterbuffer“ ausgeglichen. Dieser verzögert die Datenpakete, sodass alle gleichmäßig beim Empfänger ankommen. Hier kann es dazu kommen, dass der Jitterbuffer Datenpakete teilweise in Höhe von 100 oder 200 Millisekunden verzögert, um diese Gleichmäßigkeit zu erreichen. Während eine Verzögerung von 100 Millisekunden bei der Sprachübertragung kaum auffällt, verliert das Fax-Modem hierbei die Synchronisierung zur Gegenstelle. Das Ergebnis: Die Verbindung bricht ab und das Fax schlägt fehl.

Die Lösung für Probleme bei Fax over IP (FoIP): Der T.38 Standard

Da die Beliebtheit des Faxes ungebrochen ist, gibt es natürlich einen Lösungsansatz. Dieser nennt sich „T.38“. Bei T.38 handelt es sich um eine Empfehlung der ITU-T (Internationale Fernmeldeunion, Bereich Telekommunikationsstandardisierung) für die Übertragung von Faxdokumenten über das Internet. Mit T.38 werden die Faxe nicht mehr als digitale Sprachsignale, sondern über ein eigenes Protokoll mit eigenem Paketformat und angepassten Übertragungsregeln übermittelt.

Hierbei agieren T.38-fähige VoIP-Adapter als Fax-Gegenstelle. Diese nehmen die Daten auf der analogen Leitung an und gleichen Informationen mit der Gegenstelle ab. So werden z.B. Informationen zur maximal unterstützten Übertragungsgeschwindigkeit ausgetauscht, um die Übertragung zu optimieren und im Vorfeld Fehler zu vermeiden. Der VoIP-Adapter überträgt die Daten, die analog empfangen wurden, in digitaler Form zur Gegenstelle. Dies ist in den meisten Fällen wieder ein VoIP-Adapter oder ein Gateway zum Festnetz.

Faxen mit T.38

T.38 gilt also die Lösung des Problems mit Fax over IP. Trotzdem ist es nicht perfekt, denn immerhin ist es eine Kombination zweier eigentlich sehr unterschiedlicher Übertragungstechniken: Selbst die ITU schreibt, dass lediglich Übertragungen bis 14.400 bps unterstützt werden. Zudem kommt es auch mit T.38 häufig zu Fehlern im Versand von sehr vielen Fax-Seiten. Trotzdem nutzen VoIP-Anwender mit T.38 einen fähigen Standard für den Alltag. Ob es in der heutigen Zeit nicht bessere Mittel gibt, die auf die aktuellen technologischen Grundsätze ausgelegt sind und trotzdem die Vorteile eines Faxes (durch Signaturen o.ä.) mit sich bringen, ist jedoch ein ganz anderes Thema.

Trotz T.38-Unterstützung häufen sich die Fax-Probleme?

Wie erklärt, handelt es sich bei T.38 um ein Protokoll, das beim Faxen vom G.711 Sprach-Codec sozusagen „geschultert“ wird und die Übertragung auf die Bedürfnisse des Faxes anpasst. Wird also ein Fax nun an einen Empfänger im Festnetz versendet (über IP), so empfangen T.38-fähige VoIP-Gateways an den Netzübergabepunkten der Netzbetreiber (Carrier) die Daten und geben diese in das Netz des Empfängers weiter. Dazu haben sich die meisten Carrier darauf geeinigt, die ITU-T-Empfehlung zur Unterstützung des T.38-Standards umzusetzen, um einen reibungslosen Fax-Versand über IP und alle Netze zu gewährleisten. 

Die Deutsche Telekom hat sich dazu entschieden, an Ihren Netzübergabepunkten T.38 nicht mehr zu unterstützen. Über die Gründe dieser Entscheidung kann nur spekuliert werden. Ein mögliches Argument gegen die Unterstützung von T.38 wäre die höhere Serverlast, die durch die zusätzlichen Datenübertragungen entsteht. Leider kommt es aber aufgrund dieser Entscheidung zu vielen fehlgeschlagenen Faxen, die aus anderen Netzen an Kunden der Telekom gesendet werden. 

Denn was nun an den Übergabepunkten passiert, ist folgendes: Ein Fax wird von einem VoIP-Anbieter mit T.38 an einen Telekom-Anschluss gesendet. Am Übergabepunkt in das Netz der Deutschen Telekom wird die Information ausgetauscht, dass T.38 vom entsprechenden VoIP-Gateway nicht unterstützt wird. Es geschieht nun ein „Fallback“ auf den Sprach-Codec G.711, der die Fax-Daten wieder über eine Echtzeitverbindung via UDP versendet. Finden die Datenpaket nun perfekte Bedingungen vor – also eine schnelle Verbindung ohne Jitter, Paketverluste usw. – so kommt das Fax problemlos beim Empfänger im Telekom-Netz an.

Leider wissen wir aber aus Erfahrung, dass solche perfekten Bedingungen selten vorkommen. Kommt es also zu Paketlaufzeitschwankungen und -verlusten, so schlägt das Fax fehl oder kommt unvollständig beim Empfänger an. Durch die fehlende Unterstützung von T.38 durch die VoIP-Gateways an den Netzübergabepunkten der Telekom, ist die Erfolgsquote des Faxversands ins Telekomnetz auf 40-60% gesunken.

Fazit: T.38 ist ein grundsätzlich funktionierender Standard für die Übertragung von Fax over IP, der das Fax in die Zukunft mit ALL-IP bringt und eine fähige Lösung für Anwender darstellt, die es nach wie vor benötigen. Doch auch einen funktionierenden Standard muss jeder Netzbetreiber unterstützen, damit keine Probleme auftreten. Ist dies nicht der Fall, stoßen leider auch diese an ihre Grenzen.


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